[Rezension] Hannah Richell - "Das Jahr der Schatten"

Hannah Richell - Das Jahr der Schatten
Gegenwartsliteratur

Verlag: Diana-Verlag
Covergestaltung | Artwork: t. mutzenbach design, München unter Verwendung von Fotos von shutterstock
ISBN-13: 978-3-453-29163-8
Seiten: 496 Seiten
Erschienen: 15. September 2014

Zum Inhalt
England 1980: Fünf Studenten entdecken bei einem Ausflug ein verlassenes Cottage fernab der Zivilisation und beschließen, ein Jahr auszusteigen und nur von dem zu leben, was die Natur ihnen bietet. Doch als eine sechste Person zu ihnen stößt, gibt es Probleme und die einstige Harmonie zwischen den Freunden zerbricht, bis sie haltlos auf eine Katastrophe zusteuern. 
England, im 21. Jahrhundert: Die Innenarchitektin Lila erbt ein verfallenes Cottage. Tief in einer Lebenskrise steckend zieht sie sich nach hier zurück. Bei Renovierungsarbeiten entdeckt sie einen geheimnisvollen Brief, und Lila macht sich auf, das Geheimnis um das Cottage zu lösen.

Meine Meinung
Ein tolles Buch, das mich von der ersten Seite an gefesselt und gepackt hat. Ich mag ja Bücher, die auf mehreren Zeitebenen spielen, dieses hier ist dennoch ein wenig anders, da die Geschichte der Vergangenheit in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt und damit doch noch recht aktuell ist. Aber genau das war für mich mal anders und neu – und ich war begeistert!

In der Gegenwart ist Lila die Protagonistin, die nach dem Tod ihrer gerade mal fünf Tage alten Tochter und dem überraschenden Tod des Vaters in eine schwere Lebenskrise rutscht. Um wieder zu sich zu finden, zieht sie sich in ein abgelegenes Cottage zurück, das sie gerade von einer unbekannten Person geerbt hat. Dort findet Lila einen geheimnisvollen Brief, der ihr keine Ruhe lässt, und sie fragt sich, was es mit dem Cottage eigentlich auf sich hat. 

In den 80er Jahren entdecken fünf Studenten ein einsames Haus am See – fernab jeglicher Zivilisation. Sie beschließen, hier als Aussteiger zu leben, nur von dem, was das Land ihnen bietet – doch es läuft nicht alles reibungslos und als eine sechste Person zu der Gruppe stößt, lassen die Probleme nicht lange auf sich warten.

In beiden Handlungssträngen habe ich mich sehr wohl gefühlt und ich könnte gar nicht sagen, welcher mir lieber gewesen ist. Die Geschichten sind sehr verschieden und jede hat einen ganz eigenen Reiz, der mich in das Buch hineingezogen hat, so dass ich es gar nicht aus der Hand legen wollte. Zwar habe ich geahnt, wie die Geschichten miteinander verwoben sind, doch hat das der Spannung keinen Abbruch getan, sondern durch mehrere falsche Fährten und unerwartete Wendungen wurde diese sogar noch gesteigert.

Die Figuren sind wirklich gut herausgearbeitet. Gefallen hat mir vor allem, dass sie nicht nur gut und böse sind, sondern Ecken und Kanten haben – so wie Menschen aus dem wahren Leben. Lila in der Gegenwart zum Beispiel ist mir sehr an Herz gewachsen. Ihre Trauer um die kurz nach der Geburt verstorbene Tochter ist fast zum Greifen nah, ihren Schmerz kann man beim Lesen spüren. Und auch wenn ich in manchen Situationen anders gehandelt hätte, war mir Lilas Verhalten doch meist verständlich und schlüssig. Die fünf Studenten, die sich als Aussteiger versuchen und sich in einem kleinen Haus an einem verlassenen See selbst versorgen, sind ebenfalls sehr gut gezeichnet. Dass es zwischen den zwei Frauen und drei Männern auch mal Meinungsverschiedenheiten gibt und es mal knallt, ist klar. Interessant fand ich aber vor allem die Entwicklung der Einzelnen und auch ihrer Beziehungen untereinander während dieser „Aussteigerzeit“. Es sind dabei weniger Beschreibungen, sondern eher die Handlungen der Einzelnen, die das Ganze sehr lebendig machen und mir das Gefühl gegeben haben, mit den anderen am Haus zu leben, eine von ihnen zu sein.

Überhaupt ist der Schreibstil sehr angenehm zu lesen – lebendig und fesselnd. Zwar tauchen auch Beschreibungen auf, vor allem der wundervollen Landschaften, diese nehmen aber nie überhand, sondern sind genau so, dass ich alles genau vor Augen hatte und mir auch noch meine eigenen Gedanken zu machen konnte. Das Buch ist in verschiedene Kapitel aufgeteilt, die zwischen den verschiedenen Zeitebenen wechseln und eine angenehme Länge haben. Durch Überschriften, die sagen, um wen es gerade geht und in welchem Jahr man sich befindet, kann man hier aber gar nicht durcheinander kommen.

Das Ende hat mich dann noch mal richtig überrascht. Natürlich habe ich beim Lesen mit gerätselt und mir meine eigenen Gedanken gemacht, wie nun genau die beiden Erzählstränge verbunden sind, im letzten Drittel gibt es dann aber noch einige unerwartete Wendungen, die die Spannung nochmal erhöht haben und mich wirklich überraschen konnten. Ich fand das Ende gelungen, und es hat mir sehr gut gefallen. 

Mein Fazit
Ein sehr gelungener Roman, der auf zwei Zeitebenen spielt: in der 80er Jahren und in der heutigen Zeit. Zwar ahnt man als Leser schon, wie die beiden Handlungsstränge verbunden sind, dennoch war das Buch spannend und hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Der angenehme und sehr eingängige Schreibstil hat die Seiten nur so dahinfliegen lassen, die Charaktere sind alle sehr gut ausgearbeitet und konnten mich überzeugen. Mir hat dieses Buch richtig gut gefallen – spannend und fesselnd, einfühlsam und gefühlvoll. Ich gebe dem Buch gerne 5 Sterne!


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