[Rezension] John Irving - "Witwe für ein Jahr"

John Irving - Witwe für ein Jahr
Gegenwartsliteratur

Verlag: Random House Audio
ISBN-13: 978-3-837-11942-8
Dauer: ungekürzte Lesung, 1469 Minuten
Erschienen: 15. April 2013
Originaltitel: „A Widow for One Year“
Übersetzerin: Irene Rumler
Sprecher: Rufus Beck

Zum Inhalt 
„Ruth Cole, geboren 1954, ist weder nett noch hübsch, und man vergisst sie trotzdem nicht. Wir begegnen Ruth an drei Wendepunkten ihres Lebens. Zuerst, 1958 in Long Island, ist sie gerade vier Jahre alt. Das zweite Mal treffen wir sie 1990 als unverheiratete Schriftstellerin in Frankfurt und Amsterdam; ihre literarische Karriere verläuft viel erfolgreicher als ihr Privatleben. Das (Über-)Leben ist für Ruth schwierig genug, doch lieben ist noch schwieriger. Der dritte Teil des Romans spielt im Herbst 1995 in Ruths Geburtshaus auf Long Island. Ruth ist 41, Witwe und Mutter und verliebt sich zum ersten Mal.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Dies ist wieder eine der Rezensionen, die mir schwer fallen, weil ich unentschlossen bin, wie mir das Hörbuch gefallen hat. Vor allem bin ich unschlüssig, ob es am Medium liegt, dass ich „nur“ 3 Sterne vergebe, oder ob mir die Geschichte – selber gelesen als Buch – vielleicht besser gefallen hätte.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Schriftstellerin Ruth Cole, die man zunächst als Kind kennenlernt und begleitet, dann in zwei weiteren größeren Abschnitten als erwachsene Frau. Rut ist eine sehr eigene Person, was sich vor allem aus ihrer Kindheit und ihren Erlebnissen in dieser erklärt – und so lernt man im Verlauf des ganzen Buches auch viele weitere Personen kennen, die mal mehr, mal weniger in den Mittelpunkt rücken und die auch mal enger oder auch weniger eng mit Rut in Beziehung stehen.

Als Hörbuch ist es mir manchmal schwer gefallen, den roten Faden der Geschichte im Auge zu behalten, denn John Irving ist ein begnadeter Erzähler und neigt auch schon mal dazu, vom Hölzchen aufs Stöckchen zu kommen und sich in Einzelheiten zu verirren. Manche dieser – ich will diese Ausschweifungen mal Anekdoten nennen – sind wirklich interessant, es wird nach rechts und links geschaut und beschrieben, mal in die Vergangenheit verschiedener Figuren, dann wieder über Dinge reflektiert und diskutiert,  manchmal auch einfach nur über Belanglosigkeiten erzählt – manches davon ist leider auch zäh und hat aus meiner Sicht die Geschichte nicht vorangetrieben. Insbesondere die immer wieder auftauchenden Diskussionen über Sex und auch die Beschreibung verschiedenster Praktiken haben mich schon sehr gestört – aber vermutlich gehört das bei Irving einfach dazu.

Die Geschichte selber ist eine Mischung aus Entwicklungsroman, Charakterstudie und Krimi und alle drei Parts haben mir auch gefallen. Als Hörbuch fand ich es oft nur langatmig in der Erzählweise, ich kann mir aber gut vorstellen, dass mich das geschriebene Buch mehr hätte fesseln können.

Die Charaktere sind alles andere als stereotyp, eher skurril und grotesk, dennoch aber liebenswert, und ich konnte gar nicht anderes, als einige von ihnen richtig ins Herz zu schließen. Allen voran ist es Eddie, den ich sehr mochte und den ich wegen seiner liebenswerten Schusseligkeit, vor allem aber wegen seiner Beständigkeit ins Herz geschlossen habe. Auch Ruth, ihre Mutter Marion oder ihr Vater Ted waren mir sympathisch, sie verstehen, ihre Gedanken oder Handlungen nachvollziehen oder mich gar in sie hineinversetzen, konnte ich aber nicht – dafür sind die Charaktere einfach zu speziell und in ihren Handlungen alles anderen als „normal“. 

Der Sprecher Rufus Beck ist sehr gut ausgewählt für diese Geschichte, er liest unaufdringlich und schafft dennoch eine besondere Atmosphäre, macht vor allem aber die Charaktere lebendig und haucht ihnen mit seiner Stimme Leben ein.

Insgesamt hat mir die Geschichte zwar gefallen, es gab aber doch einige Längen durch die ausschweifende Erzählart John Irvings, die mich manchmal den roten Faden haben verlieren lassen. Ich glaube aber, dass dies auch ein Problem des Mediums ist und mir das Buch  - selbst gelesen – besser gefallen hätte. So gebe ich 3 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Manches an dieser Mischung aus Entwicklungsroman, Krimi und Charakterstudie hat mir sehr gut gefallen, vor allem die skurrilen und alles andere als stereotypen Charaktere, sind wirklich einzigartig. Leider aber fand ich das Hörbuch oft auch langatmig durch die ausschweifende Art des Erzählens von John Irving – das hätte mir im Buch sicherlich besser gefallen, im Hörbuch habe ich dadurch aber manches Mal knapp den roten Faden der Geschichte verloren. Da ich John Irvings Schreibstil und die Ideen seiner Bücher mag, werde ich sicherlich wieder zu einem seiner Werke greifen – dann aber in geschriebener Form – als Hörbuch hat mich „Witwe für ein Jahr“ leider nicht ganz überzeugen können. Ich gebe 3 von 5 Sternen.


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