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[Rezension] Haruki Murakami - "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki"

Haruki Murakami - Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Gegenwartsliteratur

Verlag: Hörbuch Hamburg
ISBN-13: 978-3-86909-183-9
Dauer: ungekürzt, 7 CDs, 542 Minuten
Erschienen: 10.7.2015
Originaltitel: „Shikisaki wo motanai Tazaki Tsukuru to kare no junrei no toshi“
Übersetzerin: Ursula Gräfe
Sprecher: Wanja Mues


Zum Inhalt 
„Tsukuru ist Teil einer Clique, deren Mitglieder alle außer ihm eine Farbe im Namen tragen. Als er nach der Oberschule die Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio zu studieren, tut das der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Tag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf gemeinsame Ferien nach Hause kommt, seine Freunde ihn jedoch plötzlich schneiden. Völlig verzweifelt kehrt er nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt. Viele Jahre später offenbart sich der inzwischen 36-Jährige seiner neuen Freundin Sara. Sie ermutigt ihn dazu, sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich habe schon andere Bücher von Haruki Murakami gelesen, die mir gut gefallen haben, so dass ich neugierig war auf diese Geschichte. Und auch wenn die Meinungen hierzu ja doch sehr auseinander gehen, hatte ich keine großen Erwartungen an das Buch – und wurde positiv überrascht.

Mir hat die leise und unaufgeregte Erzählweise sehr gut gefallen. Es ist ein eher ruhiges Buch, das lange braucht, um in Schwung zu kommen, trotzdem aber hat es mich von Anfang an gefesselt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Tsukuru Tazaki, der als Jugendlicher von seinen Freunden, die ihm so wichtig wie die eigene Familie waren, plötzlich verstoßen wird ohne dass er den Grund dazu weiß. Zwar quält ihn das über viele Jahre und seitdem scheut er tiefgehende Beziehungen, trotzdem braucht er erst den Anstoß einer guten Freundin, der Sache von damals nachzugehen und dann für sich auch wieder einen inneren Frieden zu finden.

Tsukuru als Figur hat mir sehr gut gefallen, eben weil er so viele Ecken und Kanten hat und keinem Klischee entspricht. Ich habe oft mit ihm gefühlt, ihn sogar oft verstanden, auch wenn er in vielen Dingen ungewöhnlich handelt oder Sachen einfach geschehen lässt ohne einzugreifen. Mit seinen ganzen Macken wirkt er so menschlich und glaubhaft wie ein guter Freund – und daher habe ich ihn auf seinen Pilgerjahren gerne begleitet. Andere Figuren, wie zum Beispiel seine Freunde aus der Jugendzeit, bleiben dagegen etwas blasser, trotzdem aber sind auch sie gut gezeichnet und in keinster Weise stereotyp. Vor allem auch Tsukurus Freundin Sara hat mir gut gefallen, weil sie sich ihrer selbst sehr bewusst ist und Tsukuru keine andere Wahl lässt,  als sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Obwohl sie in diesem Punkt sehr unnachgiebig ist und sehr selbstbewusst auftritt, wirkt sie doch sehr weich und gefühlvoll, weiß einfach, mit Tsukuru umzugehen und ihm zu seinem Glück zu verhelfen. Ich mochte sie von Anfang an und habe sie genauso wie Tsukuru in mein Herz geschlossen. 

Die Sprache Murakamis ist sehr angenehm und er schafft es, mich mit seinen Worten und Gedanken einzufangen. Dabei waren es vor allem auch die fast schon philosophischen Überlegungen und poetischen Sätze, die mir sehr gut gefallen haben. Dabei bleibt der Schreibstil aber immer leicht und angenehm und weiß trotz seiner Tiefe gut zu unterhalten.

Es gibt in diesem Buch viele Fragen, die offen bleiben, bei einigen war mir eine Antwort nicht so wichtig, zum Beispiel wer der Mörder einer der Figuren war, bei anderen dagegen schon. Ich habe mich zum Beispiel schon gefragt, was eigentlich mit dem Studienfreund geworden ist. Gar nicht gefallen hat mir aber das offene Ende, das wirklich keine Antwort gibt und für mich zu abrupt und plötzlich kam – hier hätte ich mir doch eine Auflösung gewünscht. 

Der Sprecher Wanja Mues war für diese Geschichte sehr gut ausgewählt. Obwohl mir seine Stimmfarbe eigentlich nicht zugesagt hat, habe ich seine unaufgeregte Art, das Buch einzusprechen, sehr genossen und konnte mich so ganz auf die Geschichte konzentrieren. 

Insgesamt hat mir das Hörbuch sehr gut gefallen – viele Themen werden angesprochen und geschickt mit hohem Unterhaltungswert dargestellt. Es geht um Liebe und Freundschaft, um Geheimnisse und den Sinn des Lebens – mir hat diese Mischung sehr gut gefallen und ich gebe dem Buch 4 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Eine interessante Geschichte, die sich langsam entwickelt und zu den eher ruhigen zählt, die aber dennoch durch interessante Gedanken und überraschende Ereignisse zu überzeugen weiß. Einige Fragen bleiben dabei leider ungeklärt, vor allem am Ende hätte ich mir Antworten gewünscht und bin mit dem offenen Ende eher unzufrieden. Die Charaktere aber sind wunderbar und sehr authentisch gestaltet, der Schreibstil poetisch und sehr ansprechend, so dass ich für diese ruhige und dennoch fesselnde Geschichte insgesamt gerne 4 von 5 Sternen vergebe.


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