[Rezension] Sandra Bökel - "Das hungrige Krokodil"

Sandra Bökel - Das hungrige Krokodil
Familienroman

Verlag: Pendragon-Verlag
Umschlag: Uta Zeißler, Bielefeld
Umschlagfoto: ullstein bild - Lehnartz
ISBN 13: 978-3-865-32608-9
Seiten: 320 Seiten
Erschienen: 2. Februar 2018

Buchrückentext
„Prag 1968: Wie viele andere Tschechen schöpft Pavel Vodák Hoffnung. Hoffnung auf Reformen, auf Freiheit, auf Demokratie. Dann rollen die Panzer und machen all seine Träume zunichte. Pavel will nicht, dass seine Tochter Pavla unter diesen Umständen aufwachsen muss. Sie soll frei denken und entscheiden können. Also plant er, mit seiner Familie aus der tschechischen Heimat nach Deutschland zu fliehen. Nachdem er an deutsche Pässe gelangt ist, folgt die größte Herausforderung: Denn seine schwer kranke Schwieger¬mutter und seine Tochter ahnen nichts von der Flucht. Sie glauben, die Familie fährt in einen Jugoslawienurlaub. Eine abenteuerliche Reise beginnt …“

Meine Meinung
Ich bin durch eine Leserunde auf das Buch aufmerksam geworden, das aus alten Aufzeichnungen des Arztes Pavel Vodák entstanden ist, die jahrelang in seiner Arzttasche geschlummert haben. Die Autorin hat sich die Mühe gemacht, alles zu sichten, natürlich auch zu recherchieren und dann daraus einen spannenden und authentischen Familienroman zu schreiben. Dass sie bei der Leserunde dabei war, war toll, denn so hat man nicht nur die eine oder andere zusätzliche Anekdote erfahren, sondern auch manche Unklarheiten beim Lesen direkt klären können.

Die Geschichte Pavels ist spannend und sehr interessant. Ich habe bisher noch nicht viele Bücher gelesen, die in Prag spielen – und so habe ich eine Menge gelernt. Beginnend im Jahr 1939 begleitet man den Kinderarzt und Psychiater bis in die Gegenwart, ins Jahr 1990. Dabei erlebt man mit ihm viele historische Ereignisse – nicht nur den Krieg, auch den Prager Frühling, die Revolution und schließlich Pavels Flucht (keine Sorge, das ist nicht gespoilert, davon erfährt man schon auf den ersten Seiten). 

Pavel ist ein interessanter Mensch – und auch wenn man ihn hier nur von einer bestimmten Seite kennenlernt, nämlich einer ernsten, bedachten, kritischen und sorgenvollen, schimmern zwischendurch doch auch sein Humor und seine Lebensfreude hindurch. Er wird sehr authentisch dargestellt, was sicherlich daran liegt, dass es ja seine eigenen Aufzeichnungen sind, mit denen die Autorin gearbeitet hat. Dabei hat sie die Stimmung und Atmosphäre der damaligen, sehr schwierigen Zeit, sehr gut einfangen können. War sie in der Familie meist sehr warmherzig und freundlich, wirkte sie im Land eher unterkühlt und bedrohlich. 

Nicht so gefallen haben mir die Zeitsprünge; es wird immer nur von wichtigen Ereignissen oder aber Wendepunkten berichtet; ich hätte es schön gefunden, auch mehr Einblick in die Normalität zu erhalten, das ganz normale Leben – so könnte der Eindruck entstehen, dass immer nur alles schlecht und ernst und bedrohlich war, das wiederum kann ich mir aber nicht vorstellen. Sicher hat die Familie Vodák auch schöne Momente gehabt – doch die haben mir leider ein wenig gefehlt.

Der Schreibstil ist im ersten Teil sehr eindringlich und dicht, so dass ich schnell gefangen war. Im mittleren Teil hat sich das für mich ein wenig verloren, und ich habe ihn als distanziert und fremd empfunden. Das letzte Drittel wird dann wieder packender, und ich fühlte mich mittendrin – auch wenn hier der Stil mit seinen kurzen, abgehakten Sätzen mir nicht zugesagt hat, passte er doch exzellent zur Situation und zu den Ereignissen. 

Fand ich den Titel des Buches erst noch etwas befremdlich, hat sich das bald gelegt, denn er wird immer wieder aufgegriffen und bekommt so eine ganz besondere Bedeutung – der Vergleich des hungrigen Krokodils mit der politischen Lage und der Gefahr, die von ihr ausging, passt einfach sehr gut und immer wieder musste ich über diese Analogie nachdenken.

Die Geschichte ist sehr eindrücklich und macht nachdenklich – lediglich im Mittelteil habe ich vor allem des Stils wegen ein bisschen gehadert; dennoch empfehle ich das Buch gerne weiter und gebe 4 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Aus Aufzeichnungen des Arztes Pavel Vodák ist diese Geschichte entstanden, die sich über einen Zeitraum von gut 50 Jahren zieht und sich viel mit dem Nachkriegsleben in Prag beschäftigt. Ich fand diese Einblicke sehr interessant, nur im Mittelteil habe ich ein wenig mit dem dort eher distanzierten und wenig emotionalen Stil gekämpft – trotzdem empfehle ich das Buch gerne weiter und gebe 4 von 5 Sternen. 

WERBUNG: Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars und an Lovelybooks für die Leserunde mit der Autorin.

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